
Ein Kind bläst Seifenblasen. Das Bild trägt das Datum 26. April 1955. War es ein Kindergeburtstag? Der Fotostandort der zufällig erscheinenden Straßenszene ist die schützende Nische des Zugangs zum Gartenhaus der No. 2, die gespiegelte Situation des unmittelbar angrenzenden Zugangs zum Gartenhaus der No. 1. Letzteres war der Wohn- und Arbeitsort des großen Fotografen Fritz Eschen, der hier bis zu seinem Tod im Jahr 1964 gewohnt und diese Szene eingefangen hat.
Im Vordergrund ein schier unendlich erscheinender Mosaikpflasterteppich, dahinter – zwischen drei vereinzelt parkenden Autos – die Bedürfnisanstalt des Architekten Philipp Nitze, den die Gemeinde Wilmersdorf bereits im Jahr 1903 – zeitgleich mit dem Gartenbauamtsleiter Richard Thieme – als Magistratsbaurat eingestellt hatte.
Im Hintergrund klafft an der Straßenecke Bundesplatz / Tübinger Straße eine riesige Baulücke und gibt den Blick auf die Brandwände der Häuser Tübinger Straße 6 und Bundesplatz No. 17 frei.
Heute steht dort das Caritas-Seniorenwohnhaus Marianne Hapig mit der Adresse Bundesplatz No. 18. Die Adresse des Eckhauses mit der No. 19 existiert nicht mehr.
Text: Christina Kautz
2.1: Ein Ort für Bedürfnisse

Ein Ort für Bedürfnisse: Die an einem feuchtkalten Februartag im Jahr 1962 entstandene Aufnahme ergänzt das vorangegangene Bild um die Orientierung gebende Bedürfnisanstalt. Sieben Jahre später dokumentiert Bert Sass den baulichen Zustand einer noch intakten Infrastruktur – zwecks Abriss und Umgestaltung des Platzes in eine Tunnelrampe.
Das bereits im Entwurf des Wilmersdorfer Gartenarchitekten Richard Thieme dargestellte Toilettenhaus wurde vermutlich im Jahr 1927 bei der Umgestaltung des Kaiserplatzes aufgestellt. Und stand somit 35 Jahre Rücken an Rücken mit der zeitgleich am Nordende des Platzes positionierten »Winzerin« von Johann Friedrich Drake.
Während das um 1910 von dem Wilmersdorfer Stadtbaurat Otto Herrnring errichtete Toilettenhaus am Preußenpark erhalten ist und unter Denkmalschutz steht, finden die anderen Bedürfnisanstalten Wilmersdorfs kaum Erwähnung. Die einander ähnelnden Häuschen seines Amtskollegen Dr. Ing. Carl Friedrich Philipp Nitze an der Wilhelmsaue wurden bereits in den Dreißigern, am Bundesplatz in den Sechzigern beseitigt. Gemeinsam ist allen dreien jedoch das behutsame Einfügen in die Grünanlagengestaltung des ebenfalls weitgehend unerwähnt gebliebenen Gartenarchitekten Thieme, der die Wilmersdorfer Gartenverwaltung seit 1903 und insgesamt 42 Jahre lang geleitet hat. Währenddessen haben die drei Herren die Möglichkeit der konstruktiven Zusammenarbeit reiflich genutzt – und dies auch weit über die Amtszeit Nitzes als Magistratsbaurat (1903 – 1912) hinaus.
Der verloren gegangene Federstrich der öffentlichen Hand, ihr Engagement für die Gestaltung des öffentlichen Raumes als Gesamtkunstwerk und – last but not least – die Opferung desselben für den Autoverkehr ist wohl eines der größten Verluste der Nachkriegszeit.
Text: Christina Kautz
Überblick | Station 6 |
Station 1 | Station 7 |
Station 2 | Station 8 |
Station 3 | Station 9 |
Station 4 | Station 10 |
Station 5 | Station 11 |
Themen der einzelnen Stationen
1.0—Kunsthochschule im Verwaltungsgebäude
2.0—Ein Kind bläst Seifenblasen
2.1—Ein Ort für Bedürfnisse
3.0—Ein Paar fährt Fahrrad
3.1—Drei Männer auf einer Stehleiter
4.0—Zwei Kinder, ein Roller und eine Litfaßsäule
4.1—Drei Kinder und ein Roller
5.0—Eine prall gefüllte Ledertasche
6.0—Lange Schlange vor dem Pilsator
7.0—Ganz schön verzettelt
7.1—Das geteilte Haus
7.2—»Macht das Tor auf!«
7.3—Die Barriere bekommt Verstärkung
7.4—Mittelstützen für den Ring
7.5—Tunnel von unten
7.6—Tunnel von oben
8.0—Ich will hier einfach nur sitzen
9.0—Sichtlich fröstelnd
Station 10 (Friedrich Seidenstücker)
10.0—Alltag am Kaiserplatz 16 / 17
10.1—Kaiserplatz 16 – zweiter Hinterhof – Gartenhaus
10.2—Seidenstückers Gartenhausbalkon
10.3—Sommer vorm Balkon
10.4—Brandwand um Brandwand
10.5—Stein für Stein
11.0—Berlin, Ecke Bundesplatz