(WS) Die alten Griechen und Römer hatten ein probates Mittel mit “Umweltsündern” umzugehen, die sich nicht an zwischenmenschliche Gepflogenheiten im öffentlichen Raum hielten: Sie drohten mit dem Zorn der Götter, wenn ihre Mitbürger ihren Bedürfnissen in aller Öffentlichkeit nachgingen, so wie es heute, 2000 Jahre später, am Bundesplatz wieder gang und gebe ist. Dr. Gian Franco Chiai, Althistoriker und Philologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich “Historische Geographie des antiken Mittelmeerraumes” berichtet von einer Inschrift und einer Wandmalerei an einem Gebäude in Pompeji: “Cacator /cave malu” (dt. “Scheißer, hüte Dich vor Ärger”) ruft dort eine zornige Göttin einem hockenden Mann zu. Menschliche Exkremente waren oft ein Auslöser für Krankheiten und Verunreinigungen der Umgebung. Dr. Chiai ist sich sicher: Die Probleme wurden erkannt und thematisiert.
So warnte eine weitere Inschrift auf einem Tor zur griechischen Stadt Ephesos, dass der Zorn der Stadtgöttin Artemis jeden treffen werde, der hier seinen Bedürfnissen nachginge. “Viele Inschriften äußern sich dazu sehr explizit”, so Chiai – und in deutlichen Worten “Hier darf man weder kacken noch pissen!” war an dem Stadttor zu lesen. Auf dem Triumphbogen von Thigibba im heutigen Tunesien. “Wenn jemand an diesem Ort uriniert, wird diese Person den Gott Mars zornig machen.”
Die Initiative Bundesplatz e.V. meint, dass drohen mit dem Zorn der Götter heute keinen Erfolg mehr haben wird. Sie setzt mehr auf ein konzertiertes Vorgehen von Bezirk, Land Berlin und den öffentlichen Nahverkehrsunternehmen, damit der Missbrauch des Bundesplatzes und des U‑S-Bahnhofs als “öffentliche Bedürfnisanstalt” aufhört und fordert, dass endlich ein WC zum Nulltarif eingerichtet wird. Anders ist dem Problem nicht beizukommen.
(Quellen:Tagesspiegel, Museo Nazionale, Neapel, Dr. Franco Chiai)